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AutorenbildMelanie

Wie ruhen sich neurodivergente Menschen aus?

Seid ihr schon mal einer (Akut-)Psychiatrie bzw. einer psychosomatischen Reha gewesen, weil ihr euer Leben nicht mehr hinbekommen habt oder es euch einfach nur schlecht geht und ihr Hilfe braucht bzw. euch infolgedessen zurück ins Leben kämpft?


Psychiatrien und Reha Einrichtungen dienen in erster Linie dazu Menschen mit psychischen Erkrankungen oder allgemein psychosomatischen Unwohlsein zu helfen. Hierzu stehen Ärzte, Psychologen, Sozialarbeiter oder Pflegeperson bereit. Ihr erhaltet auf euch zugeschnitten Gesprächstherapien, Gruppentherapie, Sport oder sonstige Beschäftigungstherapie. Das könnte für die ein oder anderen Menschen funktionieren.


Doch das Problem, dass viele dieser Einrichtungen haben, ist, dass die meisten Fachleute wenig bis keine Ahnung haben, was Neurodivergenz ist bzw. was neurodivergente Menschen wirklich brauchen, um zu heilen. Neurodivergente Menschen müssen schon besonders viel Glück haben, wenn sie eine passende Einrichtung finden und noch viel mehr Glück haben, dass sich unter dem Behandlerpersonal eine Person befindet, die sich mit ihrer Neurodivergenz auskennt bzw. sie sogar darauf aufmerksam macht.


Die Inhalte und die Vorgehensweise der Therapien sind für neurodivergente Menschen damit gerade mal ausreichend bis ungenügend hilfreich. Manche neurodivergente Menschen schaffen es, sich in das vorgegebene Programm zu integrieren. Sie nehmen das mit, was sie aus dem Therapieangebot lernen konnen. Zum Beispiel lernen sie Entspannungsübungen und auch Akuttherapien helfen ihnen, um den akuten Leidensdruck von bspw. Depressionen oder Ängsten zu minimieren. Aber oft bleiben Therapien, die die Akutsymptomatik lindern viel zu oberflächlich. Denn die Gründe, die für die Depressionen / Ängst / etc. verantwortlich sind (z.B. ADHS, ASS,...), bleiben aufgrund der Unkenntnisse des Fachpersonals verborgen. Denn Depressionen und Ängst sind meist nur sekundäre Probleme, die z.B. aufgrund einer Überanpassung entstanden sind, weil die Person mit ihrer unentdeckten Neurodivergenz noch nicht umzugehen weiß. So gehen die neurodivergenten Menschen, die einen Aufenthalt als hilfreich empfanden mit ein paar neuen Skills nach Hause und glauben, dass es ihnen von jetzt an gut gehen wird. Aber es ist sehr wahrscheinlich anzunehmen, dass der Leidensdruck nicht komplett verschwunden ist und nach einer gewissen Zeit wieder erneut aufflammt, weil der eigentliche Grund ja weiterhin unbekannt bleibt.


Aber wo erhalten neurodivergente Menschen Hilfe, für die solche Umgebungen und Therapiesettings nicht hilfreich sind und die sich nicht in ein straffes Programm integrieren können?


Ich selbst habe drei Tage eine Reha besucht. Ich hatte einen schlimmen Meltdown, weil ich mich nicht integrieren konnte: das Frühstück fand zu unmöglichen Zeiten statt, das straffe Programm hatte für meinen Geschmack zu wenig soziale Pausen. Ich hatte Angst mit so vielen fremden Personen auf einmal zu tun haben zu müssen. Draußen war immer wieder Lärm zu hören. Während der Gespräche mit der Psychologin und der Ärztin, die zwar beide sehr nett waren, stellte sich heraus, das keine von beiden etwas über Autismus wussten (mehr zu meinen Reha Aufenthalt).


Wie soll mir denn eine Einrichtung helfen, die von Autismus absolut keine Ahnung hat und die ich erst mal schulen müsste, wie ich "funktioniere"?


In einer solchen Umgebung, mit so einem Therapieplan und einem Personal, das absolut keine Ahnung von Neurodivergenz hat, kann ich nicht gesund werden. Ich müsste enorme Aufklärungsarbeit leisten und mich ständig rechtfertigen, warum ich bestimmte Therapiemaßnahmen nicht machen kann. Dabei bin ich doch dort, damit ich gesund werden und mich erholen kann, nicht um das Personal erst mal aufzuklären, um eine Basis zu schaffen.


Aber nicht nur für Menschen mit Autismus sind solche Einrichtungen eine Herausforderung.


Ich glaube, die meisten Ärzte und Psychologen haben von Hochbegabung, Hochsensibilität und ADHS genauso wenig Kenntnisse, wie von Autismus. Sie wissen weder, wie verschieden sich diese Besonderheiten ausdrücken können (z.B. bzgl. des Geschlechts), noch wie sie Betroffenen helfen können damit umzugehen.


Hochbegabte und hochsensible Menschen bleiben z.B. durch sog. "people pleasing" unauffällig und können den perfekten Patienten spielen. Sie machen alles, was notwendig ist, ignorieren ihr Sein weg, wissen welche Antworten der Behandler hören möchte, damit sie ans Ziel kommen ( = möglichst unauffällig sein). Die eigentliche Problematik bleibt damit weiterhin unentdeckt.


Menschen mit ADHS und einer sog. Zeitblindheit können durch ein straffes Programm extrem gestresst werden, da sie aufgrund ihres mangelnden Zeitgefühls ständig darauf achten müssen, pünktlich zu sein. Dabei sollte Stress in einer geschützten Umgebung für den Patienten keine Rolle spielen.


Menschen sollten in einem geschützen Umfeld nicht gzwungen sein, ihr So-Sein verbiegen zu müssen, um in dem Umfeld funktionieren zu können.


Wenn überhaupt fallen Menschen auf, die einem stereotypen Bild entsprechen: Ein Mensch, der extrem wenig soziale Kompetenz besitzt und schlimme Meltdowns erlebt, könnte in einer psychiatrischen Einrichtung evtl. die richtige Diagnose Autismus erhalten. Oder ein extrem unruhiger und unkonzentrierter Mensch, der ein typisches stereotypes Bild für ADHS liefert.


Was braucht es also, damit auch neurodivergente Menschen sich erholen können?



#1 Geschultes Fachpersonal


Es hilft alles nichts, wenn das Fachpersonal keine Ahnung von Neurodivergenz hat!


#2 die richtige Umgebung


Oft brauchen neurodivergente Menschen eher Ruhe, wenig Menschen, reizarme Umgebungen, wenig Personal und viel Natur. Keine Einrichtungen, wo 1000 Patienten und nochmal 300 Menschen, die zum Fachpersonal gehören, aufeinander sitzen, das Licht viel zu grell ist und alles extrem hellhörig ist.


#3 die richtige Therapie


Das Konzept eines Stundenplans, wo genau getaktet ist, was als nächstes dran kommt, war mir viel zu engmaschig und fremdgesteuert.


Im Sinne der Vorhersehbarkeit kann das Konzept aber für einen autistischen Menschen funktionieren.


Grundsätzlich sollten neurodivergente Menschen stets die Wahl haben und wesentlich stärker einbezogen werden, wie ihr Therapieplan auszusehen hat.


Eine gewisse Flexibilität in der Therapiegestaltung muss da sein. Gerade wenn man an Menschen mit PDA Profil denkt.


Darüber hinaus muss Flexibilität in der Gestaltung von sozialen Aktivitäten da sein.

Hochsensible und AutistInnen brauchen defintiv Auszeiten und sollten selbst entscheiden, ob sie an einer sozialen Aktivität teilnehmen wollen oder nicht.


(Ich könnte hier noch viel mehr ins Detail gehen, was aber defintiv den Rahmen sprengen würde)


#4 Selbstkompetenz trainieren

Egal, welche Form von Neurodivergenz, wir leben in einer Welt, die für uns nicht immer leicht zu erschließen ist. Häufig zu langsam oder zu schnell. Zu laut, zu ungerecht. Es droht eine starke Anpassung. Daher gilt es das eigene So-Sein zu stärken und zu lernen, wie die eigene Neurodivergenz aussieht.


  • Was gehört alles zu meinem Autismus?

  • Wie sieht meine Hochsensibilität aus?

  • Wem muss ich sagen, dass ich hochbegabt bin?

  • Brauche ich Austausch mit anderen Menschen, die auch ADHS haben?



#5 Erholung

Jeder Mensch erholt sich anders. Aber da wir alle eine sensorische Überempfindlichkeit haben, ist Reizarmut eine besonders wichtige Form der Erholung.


  • Angenehmes und dimmbares Licht,

  • angenehme Farben (z.B. Wandfarbe, Möbel, Bettwäsche, Vorhänge, Deko etc.),

  • kein zu stark riechendes Waschmittel,

  • keine kratzigen Stoffe,

  • keine Musik in den Aufenthaltsräumen,


(Autistische) Menschen sollten alles, was ihnen an Entspannung weiterhilft, mitbringen zu dürfen - solange es nicht schädlich ist - , wie z.B. Stimming-Tools, Tees, Massagekissen etc.


Um die mangelnde exekutive Funktion auszugleichen, benötigt es einfache aber flexible Abläufe, sowohl administrativ als auch therapeutisch. Dies trägt ebenfalls zur Erholung bei. Zum Beispiel gute Digitalisierung, einen konkreten Ansprechpartner, eindeutige Kommunikation.


Es ist wohl noch ein langer Weg, bis es eine Einrichtung gibt, die für neurodivergente Menschen geeignet wäre - und wo wir uns wirklich erholen können.

Aber Ideen habe ich definitv!













  

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